Torino weiß was es wert ist ...
Würdig pflegt die Stadt ihr altes Gesicht und verzichtet dabei nicht auf Lifting, allerdings immer so, daß es niemand auf den ersten Blick bemerkt. Hinter historischen Fassaden wird kräftig modernisiert. Altmodisch ist Torino nicht, dennoch lenkt sie die Blicke ihrer Besucher immer zuerst auf ihre ruhmvolle Vergangenheit. Das Haus Savoyen ist unvergessen.
Willkommen auf der riesigen Piazza Vittorio Veneto!
Ich war überwältigt von der immensen Größe dieser Piazza. Das lang gestreckte Rechteck ist von Gebäuden im selben Baustil eingerahmt und das ergibt ein ungewöhnlich harmonisches Ensemble. Der Gedanke dahinter war wohl, es sollte ob seiner Größe das Publikum in Ehrfurcht erstarren lassen.
Ich schreibe Geschichten und so folgen mir meine Protagonisten auf Schritt und Tritt. Meistens bin ich vor ihnen da, aber es kommt auch vor, dass ich ihnen nachreise.
Als meine Romanheldin, Fiorella, zu diesem Platz kommt, denkt sie an ihre Ferienaufenthalte als Kind bei den Großeltern, die hier in einem der letzten Palazzi zum Po hin ein großes Appartement haben. Nonna Rosella erzählte ihr damals, es sei der größte Platz von Europa und sie stellte sich fasziniert vor, dass da ein ganzes Dorf hineinpassen würde.
Die Residenza Madame Reali auf der Piazza Castello
Schlendert man durch die Säle dieser Residenz, begibt man sich auf eine Zeitreise. Der berühmte Hofarchitekt, Filippo Juvarra, realisierte als Anbau an eine mittelalterliche Festung, die auf den Resten eines römischen Stadttores fußt, den barocken Palast Madama Reale.
Genannt nach der ersten Madama, Cristina di Borbone-Francia. Maria Giovanna Battista di Savoia-Nemours heiratete deren Sohn Victor Amadeus II di Savoia und wurde früh Witwe. Sie war ehrgeizig und energisch und übernahm für ihren minderjährigen Sohn die Regentschaft. Das Verhältnis der beiden war angespannt, da sie die Zügel auch nach seiner Volljährigkeit nicht aus der Hand gab. Als Victor eine französische Prinzessin heiratete verbannte er seine machtgierige Mutter in den Palast Madama, wo sie auch verstarb.
Eine Italien Besonderheit ist das architektonische Kuriosum einer mittelalterlichen Festung mit vier Ecktürmen auf der Rückseite der barocken Residenza Madama und zeugt von der Verbundenheit mit der Vergangenheit in Torino. Für die Architekten dieser Stadt bis heute ein ungeschriebenes Gesetz. Nebeneinander und miteinander hat Vorrang vor Zerstörung und Verdrängung. Was für eine herrliche Tugend!
Ein Tipp von mir: Wohne im Zentrum! Denn obwohl Torino über 220 km Gleise und 88 km Busstrecken verfügt und das älteste Straßennetz Italiens besitzt, verkehren manche an einem Sonntag unregelmäßig oder gar nicht. Da wird es schwierig sein Hotel etwas außerhalb des Zentrums zu erreichen.
Als Fiorella mit ihrer Großmutter durch das Hauptportal des Palazzos geht, in dem ihre Großeltern wohnen, erinnert sie sich plötzlich, wie ihr Großvater Ignazio einmal erzählte, dass es in der Innenstadt bewusst nie Dienstboteneingänge gegeben hat. Im Treppenhaus mussten alle aneinander vorbeigehen. Studenten und Künstler, die in die Mansarden hinaufstiegen. Dienstboten, Hauslehrer und Hausmeister, die in kleinen Kammern unter den Arkadenbögen wohnten. Nur die Herrschaften residierten in der zweiten Etage. Noch heute ist ihr Großvater davon überzeugt, dass diese Bauvorschrift von 1870 das friedliche miteinander in der Stadt gefördert hat.
📕 Mit Auszügen aus "Die Flucht der Marionette"
Italien Besonderheiten
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